Erste Eindrücke vom Auftakt unseres Radio Projektes mit Manfred Theisen (Literatur), Ralf Schreiber (Medientechnik), unterstützt von unserem ehrenamtlichen Kommunikations-Fachmann Wolfgang Heinrich Schuster und unserem Werkstattleiter Kai Zeller.
Anfang Februar haben wir Feldtelefone aus dem 1. und 2. Weltkrieg sowie 25 alte Radiogeräte erworben. Diese wollen wir für unser Projekt aufarbeiten:
Opas Dampfradio zerlegt:
Aber auch „alte Technik mit neuen Mitteln“ stand auf dem Lehrplan, denn wir haben mit integrierten Schaltkreisen kleine Transistor Radio Sender und Empfänger gebaut:
Wir haben die ersten Medienarchive nach Klängen aus der Zeit um 1919 durchforstet und erste Texte für unser Hörspiel und unsere Installation (Präsentation im Deutschen Schifffahrstmuseum 20.-22. September) erarbeitet.
Hörstück zum Theremin
Autorin: Sahra Gernhuber
Sprecher:
Maria Guschina: „Du bringst Jelena ins Bett. Ich kann nicht mehr.“
Sergejewitsch Termen: „Die Journalistin aus Bremerhaven kommt doch gleich.“
Maria: „Ist mir egal. Jeden Tag kommen irgendwelche Journalisten wegen dir und deinem Theremin.“
Es klopft.
Sergej: „Machst du mal auf?“
Maria: „Wieso ich? Mach du auf?“
Sergej: „Nun gut.“
Begegnung an der Tür (Geräusche), Begrüßung.
Sergej: „Liebe Frau …“
Sahra Gernhuber: „Sahra Gernhuber.“
Sergej: „Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen.“
Im Hintergrund beginnt Jelena wieder zu schreien.
Sergej: „Und unsere Tochter Jelena, die sich gerade zu Wort meldet.“
Maria: „Guten Tag.“
Sahra: „Guten Tag.“
Das Kind schreit und schreit.
Sahra: „Könnten wir irgendwo in Ruhe reden?“
Maria: „Wenn mein Mann sich um Jelena kümmert, dann ist es hier ruhig.“
Sergej: „Ach, Liebes, kannst du nicht …“
Maria: „Nein. Ich kann nicht. Ich mach hier sowieso alles. Und diese Reise durch Europa mit zwei Kindern und einem Mann, der das Theremin erfunden und nie Zeit hat.“
Sergej: „Bitte reg dich nicht auf.“
Das Kindergeschrei hört auf.
Maria: „Hörst du? Sie hat aufgehört.“
Sergej: „Möchten Sie etwas trinken? Tee?“
Sahra: „Vielleicht später. Ich bin ein bisschen im Druck.“
Maria: „Ach, es gibt noch etwas wichtigeres als meinen Mann?“
Sahra: „So habe ich das nicht gemeint.“
Sergej: „Also, was möchten Sie denn wissen?“
Sahra: (holt ihren Block heraus) „Ja. Sie sind also in St. Petersburg geboren, am 27. August 1896. Und wie ich im Archiv herausfinden konnte, haben sie als junger Mann Cello gespielt?“
Sergej: „Ja. Ich habe am Konservatorium studiert.“
Sahra: „Und wie kommt man vom Cello zum ersten Instrument für elektrische Töne, das Theremin?“
Sergej: „Ich habe 1919 am Petrograder Physikalisch-Technischen Institut geforscht. Wir haben eng mit dem Musikinstitut in Moskau zusammen gearbeitet. Ich habe auch Instrumente gebaut, die aus Farben und Gerüchen Musik machten.
Sahra: „Ist ja interessant. Und das Theremin?“
Sergej: „Eigentlich wollte ich ein Radio bauen. Aber ich habe einen Fehler gemacht und stellte fest, dass wenn ich mit meinem Körper oder der Hand in die Nähe der Antenne komme, das Radio es als Funkstörung wahrnimmt. Das waren natürlich nur Anfänge. Jetzt spielen wir mit der linken Hand die Lautstärke und mit der Rechten die Geräusche, Höhen und …“
Sahra: „Und Clara Rockmore spielt es wie eine junge Göttin, ich habe ein Konzert von ihr in Hamburg miterleben dürfen. Sie ist ja auch eine sehr hübsche …“
Maria: „Sie hat ja auch keine zwei Kinder.“
Sahra: Räuspert sich. „In der Zeitung war ja ein Foto von ihrem Mann mit Clara Rockmore.“
Sergej: „Ich habe sonst keinen Kontakt zu ihr.“
Maria: „Würde ich jetzt auch sagen. Lacht!“
Sergej: „So ein Quatsch, Maria. Was soll das jetzt?“
Maria: „Wenn ein Mann schon zwei Mal verheiratet war, dann weiß man nie. Oder was meinen Sie, Frau Gernhuber?“
Sahra: „Öh …“
Sergej: „Möchten Sie jetzt etwas trinken.“
Sahra: „Vielleicht zur Beruhigung.“
Maria: „Ich nehme auch einen Tee.“
Das Geschrei im Nebenraum beginnt wieder. Jelena ist wach!
Maria: „Wenn du uns schon Tee machst und stehst, dann kannst du auch mal kurz gucken gehen, Sergej.“
Geräusch. Tür öffnet sich, Tür schließt sich. Geschrei laut und er redet: „Hallo, kleine Jelena. Bububububu. Schlaf wieder schön.“
Natalja: „Hallo, Papa. Ich kann nicht schlafen, wenn Jelena immer so schreit.“
Jelena hört auf zu schreien.
Sergej: „Sie hat aufgehört. Und du schlaf jetzt auch bitte.“
Natalja: „Ich kann jetzt nicht mehr einschlafen.“
Sergej: „Aber ich muss wieder rüber. Besuch ist da.“
Natalja: „Onkel Wadim?“
Sergej: „Nein, eine Frau, die mich fragt wegen des Theremins.“
Natalja: „Ich hab Angst, Papa. Erzähl mir eine Geschichte, bitte.“
Sergej: „Ja, aber nur kurz. Es waren einmal ein Mädchen und ein Junge, die lebten in einem kleinen russischen Dorf nahe Moskau und …
Die Stimme von ihm zu seiner Frau laufen über …. und Maria redet mit der Journalistin:
Maria: „So wird der Tee kalt.“
Sahra: „Ich …“
Maria: „Ja, machen Sie ruhig den Tee.“
Sahra: „Äh, ich kann das machen.“
Maria: „Was wollen Sie denn von Sergej noch wissen?“
Teemachgeräusche, Wasserkessel …
Sahra: „Er war also schon einmal verheiratet?“
Maria: „Zweimal. Aber es gibt keine Kinder aus den Ehen.“
Sahra: „Was denken Sie eigentlich über das Theremin?“
Maria: „Was soll ich denken? Meine Kinder machen Geräusch und das Theremin macht Geräusche. Wir machen alle Geräusche. Die einen natürlich, die anderen elektronisch. Und das Theremin gibt uns Geld, damit wir durch die Welt reisen können.“
Sahra: „Das muss schön sein.“
Maria: „Ja, wir waren schon überall, nur ist es auch anstrengend und er hat kaum Zeit. Meist bin ich in St. Petersburg. Er glaubt, sein Instrument wird die Welt verändern.“
Sahra: „Wird es auch.“
Maria: „Wie meinen Sie das?“
Sahra: „Weil schon in einigen Jahren in Filmen wie Star Treck das Theremin als Instrument für die Titelmusik genutzt wird und auch bei Super Mario hören wir das Theremin, auch wenn mit Detektoren am Strand nach Mienen gesucht wird oder zur Kontrolle an Eingängen.
Maria: „Woher wissen sie das?“
Sahra: „Ich bin aus der Zukunft. 2019.“
Maria: „Wie?“
Sahra: „Unsere Wasserkocher sind dann auch etwas schneller und bequemer. Und jeder hat ein Auto.“
Maria: lacht. „Und ein Theremin? Oder wie?“
Sahra: „Das nicht. Aber ein Radio und ein Handy und eine Mikrowelle. Wellen werden ganz wichtig sein, damit machen wir unser Essen.“
Maria: „Wie Radio? Wie sollte jeder ein Radio haben?“
Sahra: „Glauben Sie es mir einfach … Wo sind die Teebeutel?“
Maria: „Teebeutel?“
Sahra: „Ja, Beutel, in denen Tee ist, und die man dann ins Wasser hält, um Tee zu kochen.“
Maria: „Sie scherzen.“
Sahra: „Nein, probieren Sie es mal. Gucken Sie bitte mal in meine Tasche. Da habe ich immer eine Packung dabei.“
Tasche wird geöffnet.
Maria: „Tatsächlich. Und das funktioniert?“
Sahra: „Ganz sicher. Geben Sie mir mal zwei. Und ich kann Ihnen raten Teebeutel statt Theremine zu verkaufen. Es könnte sich lohnen.“
Maria: lacht. „Und sie geben ihn einfach ins Wasser?“
Sahra: „Sehen Sie, es verfärbt sich.“
Maria: „Das sieht gut aus.“
Sahra: „Und schmeckt gut. Earl Grey.“
Die Tür öffnet sich.
Sergej: „Die Kinder schlafen endlich.“
Maria: „Wir haben hier was wichtiges zu bereden.“
Sergej: „Was denn?“
Maria: „Teebeutel.“
Die beiden Frauen lachen und Sahra wiederholt launig „Teebeutel.“
Sergej: „Na gut. Wo waren wir stehen geblieben?“
Sahra: „Ihre Frau Maria hat mir alles erzählt.“
Sergej: „Ach, wirklich.“
Maria: „Ich hab deine Geschichte ja schon tausend Mal gehört.“
Sergej: „Dann danke ich dir.“
Maria: „Und wir ihnen für die Idee mit dem Teebeutel.“
Sergej: „Was meinst du damit, Maria?“
Sahra: „Das erzählt sie Ihnen später. Ich muss jetzt weg, ich muss noch ein Interview machen mit Bill Gates.
Sergej: „Bill Gates. Wer ist das?“
Sahra: „Ein Programmierer in der Zukunft. Er hat eine Firma mit einem angebissenen Apfel. Lacht.“
Sergej: „Von welcher Zeitung sind Sie?“
Sahra: „Vom NDR bin ich.“
Sergej: „NDR?“
Sahra: „Ist ein Fernsehsender in der Zukunft. Fragen Sie ihre Frau.“
Maria: „Soll ich Sie zur Tür bringen?“
Sahra: „Das ist nicht nötig.“
Maria: „Aber …“
Sahra: „Auf Wiedersehen.“
Türe öffnet und schließt sich.
Maria: „Ich muss ihr noch die Packung mit den übrigen Teebeuteln bringen. Sie hat sie hier liegen lassen.“
Türe öffnet sich.
Maria: „Sie ist nicht mehr auf dem Gang, als wäre sie verschwunden.“
Sergej: „Guck mal hier. Sie hat noch was vergessen auf ihrem Stuhl. Eine Karte.“
Maria: „Was steht drauf?“
Sergej: „Norddeutscher Rundfunk, Sendeanstalt des öffentlichen Rechts. Sahra Gernhuber, Redakteurin für Reportagen aus der Vergangenheit.
Kriegsworte
Bäm bäm bäm
Tha tha tha
Disch disch disch
Ksch ksch ksch
Harb harb harb
Bäm bäm bäm
Piu piu piu
Peng peng peng
Bum bum bum
Krieg Krieg Krieg
Rattatatatatata
Dju dju dju
Schieß Schieß Schieß
Lufta Lufta Lufta
Bam Bam Bam
Bäm bäm bäm
Duf duf duf
Tik tik bom
Tik tik bom
Tiu tiu tiu
Tf tf tf tf tf tf
Rattatatatatata
Drrrrrrrrrrrr
Pum pum pum
Silah Silah Silah
Bäm bäm bäm
Tik tik bom
Tik tik bom
Der Text besteht aus lautmalerischen Worten, die Kinder sagen, wenn sie mit Pistolen spielen (wie etwa Peng), aber auch Worten für Krieg oder Schießen in sechs verschiedenen Sprachen: Albanisch, Türkisch, Deutsch, Mazedonisch, Arabisch, Portugiesisch
Isabel: Wellen
Wellen von Wasser
Wellen von Schall
Wellen von Liebe
Wellen von Menschlichkeit
Wellen von Selbstvertrauen
Wellen, wenn ich was will
Wellen von Hoffnung
Wellen von Funk
Funkwellen
Zur Unterhaltung
Und zum Nassspritzen
Mit Worten
Weiche Wellen
Wellen von Hass
Wellen schreien
Wellen von Glauben
Wellen von Zeit
Wellen von Luft
Wellen von Angst
Wellen, die mich quälen
Wellen von Atem
Atemwellen
Atemlos
Wellenlos
Wenn ich weine
Wenn ich Wut habe
Bin ich atemlos
Und fische weg
Die Wut
Die Atemlosigkeit
im Netz
3 Gedichte von Hassan:
LiebesFunken
Mein Herz sendet Funksignale
Meine Mutter ist mein
Funken, ist mein
Herz und fun
kelt vor
Liebe
Funkstille
Wenn ich zu viele Informationen
Bekomme ist Funkstille
Kein Ausweg mehr
Kann nicht mehr denken
Mein Kopf unerreichbar
Gefangen im Lärm
Der Signale
Funkenschlag
Wenn zwei sich berühren
Und zwei
Bestimmte sich
treffen
Und die Seelen
Gleich schlagen
wie Wellen am Strand
ist Luft wie Wasser
In Bewegung
Und Schicksal
Im Spiel
Berke: Beinbruch
Ich sitze in der Hütte,
am Ende der Welt,
nur Bäume und Berge
und dieses gebrochene Knie.
Eine Dose Sauerkraut
Und sonst nichts.
Ich brauche Hilfe und
Dieses Scheiß Handy
Hat keinen Empfang.
Ich hab die ganze Bude schon
Dreimal umgedreht und das
Knie blutet wieder.
Lötkolben und ein Lötset!
Lötkolben und ein Lötset!
Was hat der Typen damals noch gesagt?
Wie ging das?
Wir haben das in Bremerhaven gemacht.
Ich muss einen FM-Sender bauen.
ich brauch den, damit mich die Leute hier finden.
Sie sollen mir helfen, gegen den Scheiß hier.
FM steht für Frequenzmodulation.
Ich hab den Plan für den Bau nicht mehr im Kopf.
„Erinnere dich, Berke, komm schon!“
Warum hab ich damals nicht wirklich aufgepasst?
Also, ich löte die 100 K
mit dem 2 x 22pF an.
Die Spule gehört nach rechts,
die andere auch, direkt daneben.
So wars.
Die Batterie 9 Volt gehört
Nach unten rechts.
Die Spulen sind jetzt dran,
und zum Schluss der Eingang
und noch die Antenne,
dran löten, ein Stückchen Draht.
Ich klemme das Mikro an und spreche:
„Jeder, der mich hört, den bitte ich um
Hilfe. Ich bin in der Waldhütte im
Bayrischen Wald, etwa 10 Kilometer
Südlich vom Eibsee.
Bitte helfen sie mir!
Ich bin schwer verletzt!“
Sicher hundert Mal habe
Ich das jetzt gesagt und
Mir ist schlecht.
Überall Blut.
Ich schlafe ein.
Vor mir ein Gesicht. Ein Mann mit Bart
Und einer roten Jacke. Er spricht mit mir.
Und fragt mich: „Sind Sie bei Bewusstsein?“
Wie ich heiße und was passiert ist?
Ich antworte und sehe einen Schlauch,
der in meinen Arm führt.
„Wir werden gleich im Hospital landen.
Alles wird gut.“
Und ich wurde ruhig.
Ich empfehle der Menschheit
Alle Sachen immer dabei zu haben
Um sich ein Radio zu bauen.
FM-Sender.
Und vergesst den Plan nicht.
Euer Berke
……………………………
Redaktion Manfred Theisen