Bericht für die Bremer Lehrer Zeitung (BLZ)

Deutsch-israelische Freundschaft
Ein Schritt in Richtung Verständigung

Über ein Austauschprojekt zwischen Bremerhaven und Tel Aviv


15.08.2018 – Susanne Carstensen

Ein glücklicher Zufall

Ein Zufall ermöglichte den Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“. Eine Schule in Bremen konnte den Kontakt mit ihren israelischen Partnern nicht weiter pflegen. Die Medienwerkstatt der Oberschule Geestemünde sah darin eine neue Herausforderung und übernahm. Am Nikolaustag 2012 flog das Filmteam mit 12 junge Menschen zwischen 13 und 16 aus Bremerhaven zur ersten Kontaktaufnahme nach Israel. Nach Rosh HaAyin, 20 km östlich von Tel Aviv. Im Gepäck jede Menge Fragen, Vorurteile, Bilder von Konflikten und Krieg und eine noch größere Portion Neugier.

Was würde uns erwarten?

Der Empfang war überwältigend und herzlich, trotz der Übernacht-Reise. Und sofort war das Eis zwischen den Teilnehmer*innen am Austausch gebrochen. Wir lebten für die nächsten 10 Tage in israelischen Familien! Englisch war die gemeinsame Sprache, wenn auch bei manchen von uns eher holperig. Aber wofür gibt es Hände, Füße und offene Herzen!

Das Conservatorium Rosh HaAyin ist der offizielle Partner in diesem Austausch. Dieser verknüpft eng musikalischen Bildung in den Kindergärten und allgemeinbildenden Schulen der knapp 50.000 Einwohner zählenden Stadt. Das Gospelprojekt der Begin High School war unser Gastgeber.

Wunderbare Reisen

Für uns wurden wunderbare Reisen nach Jerusalem, an das Tote Meer, nach Haifa und in die Karmelberge organisiert. Die gemeinsamen Reisen im Bus waren begleitet von Gesang, Geschnatter und auch wichtigen persönlichen Gesprächen. An unseren Ausflugszielen organisierten wir Filmaufnahmen mit Gesprächsrunden und Interviews. Wir wollten uns ja ein eigenes Bild jenseits des medialen Gewitters in Deutschland machen.

Unglaublich das zehn Tage ausreichten, um die vielen Fragezeichen und Vorurteile verschwinden zu lassen. Die Kraft und die spezielle Qualität unserer Schüler*innen, sich auf neue Freundschaften einzulassen hat auch uns Betreuer, Lehrer und Eltern gerührt. Zweifel, ob sich denn in so kurzer Zeit Verständigung herstellen ließe, von echter Zuneigung ganz zu schweigen, waren nachhaltig zerstreut. Eltern und Großeltern in Israel sind der deutschen Gruppe mit viel Offenheit entgegen getreten. Ihre politischen Ansichten zeugten und zeugen von der Hoffnung auf Frieden- und zwar überall! Unsere Filmdokumentation „Über Vorurteile“ hat 2013 den Sonderpreis des Bremer Senats für Medienarbeit zugesprochen bekommen.

Der Film transportiert dieses aufeinander Zugehen in atmosphärischen Bildern. Die vertrauensvolle und offen freundliche Stimmung begleitet seit dem jedes weitere Treffen.

Ausgehend von den Stolpersteinen Gunter Demnigs in Bremerhaven beschäftigten sich die Jugendlichen 2013 und 2014 in Deutschland und Israel mit Familienbiographien. Die Enkel der Zeitzeugen luden ihre Freunde aus Deutschland zu den Großeltern ein, die erst im hohen Alter den Mut fanden, ihrm eigenen Schicksal des Überlebens Ausdruck zu verleihen. Diese Begegnungen verliefen auf allen Ebenen sehr emotional und ergriffen.
Zwei biographische Filme entstanden. Der Film „Stolpern“ erhielt 2014 in New York den Preis als weltbester Schülerfilm.

Freundschaft geht durch den Magen

Wandern die Menschen, dann wandert auch ihre Küche. In Bremerhaven kochten 2016 arabische, israelische, syrische und deutsche Jugendliche zusammen und erfanden ihre Beziehung neu: ein kleiner, persönlicher Schritt in Richtung Verständigung, mehr ist es nicht. Aber in Anbetracht der offensichtlich unüberbrückbaren Vorurteile und Haltungen vieler Erwachsener bis hinein in die große Politik ein großer Sprung. Die entstandenen Projekttagebücher sind ein Quell der Emotion, Wandlung und Hoffnung.

In Israel: Die Geschichte und Erfahrung direkt von Überlebenden des Holocaust erzählt zu bekommen. Gemeinsam zu hören, zu weinen, zu lachen und zu träumen. „Wie nah wir uns waren mit unseren Wünschen und Träumen. Nach Frieden und Liebe!“ „.. mit meinen israelischen Freunden magische Orte und Momente erleben zu dürfen…“

„Meine israelische (Gast-) Mutter lernte von ihrer Mutter ein deutsches Kinderlied, aber das wurde nur ganz leise gesungen, denn die Geschichte dazu war so schlimm. Sie hat es mir weinend vorgesungen. Wir beide haben dann gesungen und geweint, das war ein sehr ergreifender Moment. Meine israelische Mutter engagiert sich für Gerechtigkeit und Frieden.“

„Am besten waren die Abende. Wir haben zusammen gesungen, gegessen und Spaß gehabt.“ „Die Leute in Israel gehen so freundlich und liebenswert miteinander um, das habe ich nicht erwartet.“

„Meine Eltern müssen noch viel lernen“

In Deutschland: „Als die israelischen Jugendlichen in die Klassen gingen, um sich den Fragen deutscher, arabischer, syrischer und anderen Kulturen zu stellen, hatte ich Bauchschmerzen, dass unsere Schüler nicht so freundlich sind.“ „Gut, dass der Holocaust wie auch Palästina nicht das Hauptthema unseres Austausches war.“ „Meine Eltern nehmen keinen Juden auf, obwohl meine Gasteltern in Israel großartig waren.“ Ich weiß, meine Eltern müssen noch viel lernen.“

„Das waren die besten Tage meines Lebens und ich würde diese Reise mit euch jederzeit wiederholen!“ „Diese Reise hat mir gezeigt, wie gleich die Menschen auf dieser Welt sind.“ Auch nach 6 Jahren gibt es zweimal im Jahr ein Shalom und ein Herzliches Willkommen!

In diesem Jahr organisiert die Medienwerkstatt der Oberschule Geestemünde eine mobile Ausstellung zum Thema „Heimat und Fremde“. Unsere Partner aus Israel sind selbstverständlich auch wieder dabei. Und ein Wiedersehen mit den inzwischen über 100 Teilnehmern ist trotz der verschieden laufenden Lebensphasen (Militär, Ausbildung, Studium) in Deutschland und Israel geplant.

Im Internet finden sich Filme, Berichte, Fotostrecken und Einladungen zu den aktuellen Veranstaltungen unter

Heimat…Fremde

Bericht für die Bremer Lehrer Zeitung „BLZ-Bremen“

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